Navia – Fahrerloses Shuttle für die moderne Großstadt

Bild: © Induct-Technology - Für die Testfahrten des Navia mussten Straßen gesperrt werden
Bild: © Induct-Technology – Für die Testfahrten des Navia mussten Straßen gesperrt werden

Fahrerlose Trams sind längst keine Besonderheit mehr und in vielen Weltmetropolen anzutreffen. Dass aber Busse und Shuttles ohne menschlichen Fahrer auf den Straßen unterwegs sind, ist lange nur ein Traum gewesen. Doch das könnte sich bald ändern. Nicht nur der Internetgigant Google forscht im sonnigen Kalifornien an autonomen Autos, auch im Nachbarland Frankreich werkelt man an einem automatisch fahrenden Transporter.

Moderne Großstädte brauchen neue Mobilitätslösungen

Immer mehr Menschen zieht es in Ballungsräume und Großstädte. Die Folgen sind bekannt: verstopfte Straßen, überfüllte Bahnen, Mensch und Umwelt werden besonders stark belastet. Das absurde Ausmaß dieser Situation sollte schnell entschärft werden. Neue Mobilitätslösungen sind längst keine exotische Zukunftsmusik mehr, sondern müssen schnell etabliert werden, um Großstädte lebenswert zu halten.

ÖPNV braucht Entlastung

Auch Pierre Lefèvre, ein französischer Spezialist für Ortungssysteme und drahtlose Kommunikation, und sein 40 Mann starkes Unternehmen sehen das so. Sie forschen an einem Shuttle-Fahrzeug namens Navia. Eine begeisterte Investorengruppe aus Luxemburg finanziert das Projekt zum Teil, die École Polytechnique Fédérale im schweizerischen Lausanne hilft mit. Das Shuttle soll in Ballungsgebieten und Innenstädten die Lücken im Netz des öffentlichen Nahverkehrs schließen. Da es ohne Fahrer und feste Route auskommt, soll Navia erheblich flexibler und preiswerter funktionieren als die herkömmlichen Busse und Bahnen. So könnten der Personennahverkehr entscheidend entlastet werden.

So funktioniert Navia

Bis zu acht Personen können in der überdimensionierten Rikscha Platz nehmen. Anstelle eines Fahrers steuern GPS, Sensoren, Navi und eine Laser-Fernmessung das Gefährt. Das rein elektronisch angetriebene Fahrzeug berechnet in Echtzeit seine aktuelle Position und die bereits zurückgelegte und noch zu absolvierende Strecke. Durch die vielen Systeme kann Navia seine Position auf allen drei räumlichen Achsen feststellen. Dafür sorgen vor allem die beiden Kameras, die zehn Mal pro Sekunde Bilder liefern. Damit verfügt das Shuttle über einen besseren Rundumblick, ein größeres Sichtfeld und eine schnellere Reaktionsgeschwindigkeit als jeder menschliche Fahrer.

Bild: © Induct-Technology - Der Nothalteknopf ist nicht zu übersehen
Bild: © Induct-Technology – Der Nothalteknopf ist nicht zu übersehen

Sicher und einfach zu bedienen

Navia erfasst seine Umgebung in 360 Grad, kann bis zu 200 Meter weit blicken. So erkennt das Gefährt frühzeitig Hindernisse und Gefahrensituationen, kann beispielsweise eine automatische Vollbremsung einleiten. Auch wenn es für viele Menschen ungewohnt sein mag, in einem Shuttle ohne Fahrer Platz zu nehmen – rein theoretisch ist ein automatisiertes Gefährt sicherer als ein von Menschenhand gesteuertes. Denn das Roboter-Shuttle ist nie abgelenkt oder unkonzentriert, macht keine Fehler. Hat man erst einmal in dem komisch anmutenden Fahrzeug Platz genommen, ist die Bedienung kinderleicht: Auf dem Borddisplay wird das Ziel angeklickt, schon setzt sich Navia in Bewegung.

Mehr als 12 km/h nicht nötig

Lefèvre und seine Mannschaft haben ihr Navia so konzipiert, dass es sich auf einer vorprogrammierten Strecke bewegt. Per Smartphone kann das Gefährt dann an jeder Position der Strecke angefordert werden und macht sich automatisch auf den Weg. Doch noch ist das Navia weit von einer Markteinführung entfernt. Selbst die ersten Testläufe auf französischen Straßen gestalten sich als überraschend schwierig. Denn Kraftfahrzeuge ohne Mensch am Steuer sind nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich verboten. Für die Tests in Paris und Lyon mussten daher die Straßen für den allgemeinen Verkehr gesperrt werden. Dabei fährt das Shuttle nicht schneller als zwölf Kilometer pro Stunde. Viel soll sich daran auch nicht ändern, denn die Tests zeigen, dass Passanten bei fahrerlosen Fahrzeugen Geschwindigkeiten von maximal 20 km/h akzeptieren. Auch wenn 12 km/h erst einmal sehr wenig erscheint – die Durchschnittsgeschwindigkeit in der verstopften Pariser City liegt lediglich bei 10 Stundenkilometern.

Innovation und Gesetz – kein gutes Team

Solche Gesetzesbestimmungen machen der gesamten Branche zu schaffen. Lefèvre hat sich darüber bereits bei der EU-Kommission in Brüssel beschwert und hofft wie viele seiner Mitstreiter darauf, dass sich bald etwas an der aktuellen Situation verändert. Im US-amerikanischen Kalifornien bekam Internetgigant Google erst kürzlich einen Freischein zum Test von selbstfahrenden Autos auf öffentlichen Straßen. Wenn die EU Innovation und urbane Mobilität von Morgen nicht einschränken und erschweren will, muss sie bald nachziehen – sonst entsteht ein krasser Wettbewerbsnachteil für die europäischen Unternehmen.

VW als Spielverderber

Nicht nur die Gesetze der EU erschweren Lefèvre und seinen Kollegen die Arbeit, auch der deutsche Autobauer VW hat dem richtungsweisenden Unternehmen letztes Jahr einen Stein ins Getriebe geworfen. Denn eigentlich sollten die intelligenten Shuttles während der Kasseler Kunstmesse documenta in der Stadt unterwegs sein. Das Vorhaben scheiterte allerdings am Einspruch von Volkswagen, seines Zeichens einer der Hauptsponsoren. Schade, dass der große Autobauer anscheinend sein eigenes Marketing vor wichtige neue Mobilitätstrends setzt.

Verbesserungswürdige Details

Doch auch in technischer Hinsicht ist noch einiges zu tun, bis das Navia praxistauglich ist. So stoppt das Shuttle automatisch beim Auftauchen eines jeden Hindernisses innerhalb seines Koordinatenfeldes. Könnte der Bordcomputer dagegen Menschenmengen analysieren oder Bewegungen von anderen Verkehrsteilnehmern voraussagen, würde es deutlich intelligenter auf unterschiedliche Verkehrssituationen reagieren. Viele überflüssigen Stoppmanöver würden dann gar nicht erst ausgeführt, ohne gleichzeitig die Sicherheit der Mitfahrer oder anderen Verkehrsteilnehmer zu gefährden.

Shuttlebus Navia in Aktion:

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